Helmstedter Universitätstage 2022

Helmstedter Universitätstage 2022

"Nicht die Taten bewegen die Menschen, sondern die Worte über die Taten."

Heiner Geißler

Treffender als es Dr. Wolfgang Schäuble in seiner Eröffnungsrede zu den 28. Universitätstagen in Helmstedt formulierte, konnte das diesjährige Rahmenthema "Attentat und Gesellschaft" nicht umschrieben werden. Die diesjährige Veranstaltung umfasste zudem eine besondere Assoziation. Sowohl Dr. Wolfgang Schäuble als auch Prof. Dr. Jan Philipp Reemtsma hatten persönlich selbst Gewalterfahrungen gemacht. Authentischer lässt sich diese Historikertagung thematisch kaum gestalten.

Parallel hierzu fand das traditionelle Schülerseminar statt. Zu diesem reisten bereits zum zwölften Mal Schülerinnen und Schüler des Lucas-Cranach-Gymnasiums aus Wittenberg an und trafen dort auf ihre Helmstedter Kommilitonen des Julianums sowie des Gymnasiums am Bötschenberg. Dank der erneut sehr guten Vorbereitung und Unterstützung durch den Beirat der Universitätstage und die Stadt Helmstedt erwartete sie ein reichhaltiges Programm. Filmbeiträge, Expertengespräche und thematische Vorträge, Exkursionen und Diskussionen prägten die dreitägige Veranstaltung über das Verhältnis von Gewalt und Gesellschaft zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Dies wurde an ausgewählten Ereignissen aus unterschiedlicher Epochen erörtert.

Einerseits wurde die strukturelle Gewalt am Beispiel des Films "Rosa Luxemburg" aufgezeigt und zum anderen über die Exkursion am Freitag zu Relikten der deutsch-deutschen Teilung (Grenzdenkmal Hötensleben / Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn) durch den Verein Grenzenlos e. V. verdeutlicht. Weitere Facetten von Gewalterfahrungen gab es dann am Abend und Samstag mit Referaten durch Historikerinnen und Historiker im Rahmen der Universitätstage. Sie stellten u. a. vergleichend die Attentate auf den preußischen König Wilhelm I. vom 14. Juli 1861 sowie auf den Außenminister Walther Rathenau vom 24. Juni 1922 dar. Ersteres von einem Einzeltäter ohne längere Vorbereitung verübt, missglückte, das andere hingegen von langer Hand (Organisation Consul) vorbereitet und durch mehrere Personen durchgeführt, war erfolgreich. Die Reaktionen der Medien konnten in diesen Fällen unterschiedlicher kaum sein. Einerseits gab es in der Presse eine "souveräne Unaufgeregtheit" (Prof. Dr. Carola Dietze) und es wurde nur sachlich berichtet. Andererseits polarisierte die Tötung Rathenaus, löste Massenproteste in der Weimarer Republik aus, wurde medial kontrovers inszeniert und politisch gegensätzlich instrumentalisiert (Prof. Dr. Martin Sabrow). Die Frage von Gewaltanwendung und ethischen Grundwerten thematisierte Prof. Dr. Michael Sommer. Er verdeutlichte den bereits in der Antike vollzogenen Deutungswandel des Tyrannen und betrachtete aus rechtlich und ethischen Gründen die Attentate auf Hitler durch Georg Elser (08. November 1939) und Claus Schenk Graf von Stauffenberg (20. Juli 1944), die mit der positiven Wahrnehmung des antiken Tyrannenmordes (15. März 44 v. u. Z.) einhergingen.

Mit beiden renommierten Historikern hatten die Schüler keine Berührungsängste und es entwickelten sich lebhafte Diskussionen in den vorab durchgeführten Seminarrunden. Sehr erfreut zeigten sich beide Professoren zudem über die Dankesgeste der Wittenberger Gymnasiasten. Diese hatten mit der Anthologie "Warme Texte für kalte Tage" das aktuelle Buch der Schreibwerkstatt ihnen übergeben. Kurios am Rande angemerkt. Prof. Dr. Martin Sabrow erbat sich von den Schülern eine Widmung, meistens ist dies eher umgedreht. Neben den inhaltlichen Debatten kam aber auch der Austausch über die Landesgrenzen zwischen den Schülerinnen und Schülern nicht zu kurz. Neben vielen gemeinsamen schulischen und alltäglichen Problemlagen oder Zukunftsplänen waren die Gymnasiasten über gravierende Unterschiede erstaunt. Einerseits die Regelungen zur Seminarfachbelegung in Niedersachsen andererseits der Wegfall des erhöhten Kursniveaus im Fach Geschichte in Sachsen-Anhalt. Dass in Niedersachsen das Abitur erst nach 13 Jahren abgelegt werden kann, anders als in Sachsen-Anhalt, war kaum der Rede wert.
Um auf das eingangs gewählte Zitat Geißlers zurückzukommen, seien hier abschließend ein paar Teilnehmerstimmen zitiert.

"Die gemeinsame Zeit in Helmstedt erwies sich als sehr ereignisreich und unterhaltsam! Gespräche mit niedersächsischen Schüler*innen und renommierten Professor*innen bereicherten uns mit neuem Wissen und interessanten Anekdoten."
(Henriette Schroubek)

"Die Helmstedter Universitätstage sind definitiv eine Erfahrung wert. Das diesjährige Thema und wie die Professoren dieses dargestellt haben war bereichernd und hat mein Interesse an der Thematik neu geweckt."
(Pauline Steinbiß)

"Helmstedt Schülerseminar: Mit einem interessanten Programm entlang der Grenze, einem hübschen Kloster, netten Leuten und interessanten Vorträgen. Kurz gesagt gerne wieder."
(Fritz Kaltenborn)

Letzterem ist nichts mehr hinzuzufügen. Auf ein Neues in Helmstedt  Ende September 2023.

K. Fuchs
FL Geschichte, 28.09.2022

Anlagen:

  • Bild 1: Das Zeitreiseteam des LCG
  • Bild 2: Auch die Unterbringung atmete historisches Kolorit
  • Bild 3: Gespiegelt im Paleon
  • Bild 4: Deutsch-deutsche Grenzhistorie
  • Bild 5: Innerdeutsche Grenze
  • Bild 6: Umsetzung Grenzaufbau in Hötensleben
  • Bild 7: folgenloser Grenzdurchbruch
  • Bild 8: ehemalige Grenzübergangsstelle Marienborn (GÜST)
  • Bild 9: Garage für Intensivkontrolle von PKWs
  • Bild 10: Marienborn heutiger Blick vom ehemaligen Kontrollturm Richtung Westen
  • Bild 11: Abreise aus der Stadt der Einheit. Verbindungssuche für die letzte Teilstrecke

Helmstedter Sonntag vom 25.09.2022, S. 4

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