Herzlichen Glückwunsch, Anne!
Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten
Es gibt SchülerInnen, die eher ruhig und bescheiden erscheinen, obwohl in ihnen große Talente schlummern. Eine von ihnen ist Anne Grabo aus der Klasse 11a. Anne hat während des Corona-Lockdowns an einem bundesweiten Geschichtswettbewerb teilgenommen und belegte einen ersten Platz. Vor einer Woche nun reiste sie, begleitet von ihrer Mutter, nach Berlin, um den Preis vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier persönlich entgegenzunehmen.
Welches Thema hast du gewählt? Warum interessiert dich das Thema?
Das Thema des Geschichtswettbewerbs: „Bewegte Zeiten -Sport macht Gesellschaft“ war weit gefasst. Da ich beim Radsportverein RSV Lutherstadt Wittenberg aktiv bin, habe ich natürlich nach einem geeigneten Thema aus dieser Sportart gesucht. Die „Friedensfahrt“ tauchte dann ganz schnell als konkretere Idee auf.
Ich habe dann bewusst die Anfangsjahre dieses Radrennens genauer untersucht und aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Ich wollte erforschen, was das Rennen ausmachte und welche Bedeutung es für die verschiedenen Beteiligten hatte. Dabei fand ich schnell heraus, dass der Staat das Rennen sehr bewusst benutzte, um die Innen- und Außenpolitik positiv zu beeinflussen. Der vollständige Titel meiner Arbeit „Die Friedensfahrt – Sie wird das sein, was wir aus ihr machen“, nimmt darauf Bezug. Das Zitat ist ein Auszug aus einem Planungsprotokoll des Organisationskomitees der Friedensfahrt.
Mir war es aber auch wichtig, das Rennen aus der Sicht der Zuschauer zu betrachten. Die wichtigste Erkenntnis war, dass sich über die Erfolge der DDR-Sportler in der Bevölkerung in den 50er und 60er Jahren ein Nationalstolz entwickelte, was in dieser Zeit durch die fehlende staatspolitische Anerkennung der DDR eigentlich noch nicht möglich war.
Ich fahre selbst unheimlich gern Fahrrad und bin deshalb auch im Verein aktiv. Ehrenmitglied unseres Vereins ist auch Uwe Raab. Er startete selbst sieben Mal bei der Friedensfahrt und stand mir als Interviewpartner zur Verfügung.
Alle Interviewpartner, wegen Corona waren das hauptsächlich Familienmitglieder, hatten rundweg positive Erinnerungen an dieses Radrennen. Dieser Begeisterung wollte ich auf den Grund gehen. Und jetzt, auch zwei Wochen nach der Preisverleihung, wurde ich nochmals bestätigt, mich für das richtige Thema entschieden zu haben. Unter den Erstpreisträgern war meine Arbeit die einzige mit einem ausschließlich ostdeutschen Thema. Und da es mit so positiven Erinnerungen verbunden ist, war es wichtig und richtig, es als Positivereignis in die gesamtdeutsche Öffentlichkeit zu tragen.
Wie lange hast du dich im Zuge der Arbeit damit beschäftigt? Wie viele Seiten umfasste deine Ausarbeitung?
Wettbewerbszeitraum waren 6 Monate. Das Wettbewerbsthema wurde am 01.09. 2020 bekannt gemacht, Einsendeschluss war am 28.Februar 2021. Ich habe aber doch recht lange gezögert. Erst als ich in den Herbstferien im Friedensfahrtmuseum Kleinmühlingen Horst Schäfer kennenlernte, war ich überzeugt, dass ich das durchziehe. Zum Schuss umfasste die Arbeit 48 Seiten.
Was und wo hast du recherchiert?
Es gab als Hilfestellung ein Arbeitsheft. Dort wurden sinnvolle Arbeitsschritte beschrieben. An dieser Reihenfolge habe ich mich auch orientiert. Wert wurde auf verschiedene Perspektiven gelegt. Daher habe ich versucht, verschiedene Quellen zu nutzen. Das waren Interviews, Zeitungsartikel hauptsächlich aus dem Neuen Deutschland (ND) und einige Dokumente aus dem Bundesarchiv. Die standen in digitalisierter Form zur Verfügung. So konnte ich das Thema aus der Sicht des Staates (Planungsprotokolle, aber auch die Darstellung aus dem ND), der Sportler und der Zuschauer beleuchten. Es ergaben sich dadurch weitere Unterthemen, z.B. wie die Presse genutzt wurde, warum Sportler sich als sozialistisches Vorbild „ausnutzen“ ließen, wie mit kritischen Sportlern umgegangen wurde usw.
Wichtig war, in das Thema einzutauchen und sich immer wieder Fragen zu stellen (Wer, was, warum).
War es leicht, an Informationen zu gelangen? Welche Hürden gab es bei der Recherche?
Im Herbst letzten Jahres begannen durch den Lockdown viele Einschränkungen. Die Rechercheversuche waren dadurch teilweise sehr frustrierend. Ein Besuch im Stadtarchiv war nicht möglich, da sich alle Mitarbeiter im Home-Office befanden! Daher hoffte ich, beim Landesarchiv vielleicht auf mehr digitalisierte Unterlagen zu stoßen. Leider konnte man mir mit Verweis auf die umfangreiche Gebührenordnung nur anbieten, Kopien zuzusenden, bei denen ich aber im Vorfeld nicht wissen konnte, ob sie mir nützen.
Warst du aufgeregt, als du ins Schloss Bellevue gegangen bist?
Die Preisverleihung war für Dienstag, den 16.11. 2021 vorgesehen. Am Montag während der Schulpause hatte eine Redakteurin der MZ noch einige Fragen und interviewte mich. Um für meinen Verein auch ein wenig Werbung machen zu können, war ich einverstanden, dass nach Schulschluss ein Kamerateam vom MDR vorbeikommt. Mein Vereinschef war auch gleich dabei. Schon dabei war ich mega aufgeregt, aber das Kamerateam war echt nett. Die Interviews waren aber auch eine gute Übung. Danach bin ich mit dem Zug nach Berlin gefahren. Am Vorabend war nämlich ein gemeinsames Abendessen für die Gäste organisiert worden. Dabei lernte ich schon andere Preisträger kennen.
Für die eigentliche Preisverleihung im Schloss Bellevue gab es einen genauen Ablaufplan. Daher wusste ich, was mich so in etwa erwarten wird. Als ich dann aber mit den anderen in den großen Saal reinkam und die lange Reihe aufgebauter Kameras sah, wurde mir schon ein wenig mulmig. Ich saß in der ersten Reihe, drei Plätze neben dem Bundespräsidenten, ein irres Gefühl.
Wie lief der Empfang ab? Konntest du ein paar persönliche Worte mit dem Bundespräsidenten austauschen?
Es gab zwei Moderatorinnen. Nach einer kurzen Vorstellung des Wettbewerbsbeitrags wurde man nach vorn gebeten. Frank Walter Steinmeier stand zu diesem Zeitpunkt auch schon vorn. Knapp zehn Minuten stellte er Fragen zu meinem Beitrag. Man merkte, dass er sehr interessiert war. In diesem Moment war ich zwar aufgeregt, aber es war auch toll, nochmals über die Arbeit informieren zu können.
Nachdem alle fünf Wettbewerbsbeiträge vorgestellt worden waren, wurde die eigentliche Preisverleihung vorgenommen.
Dazu wurde ich nochmals nach vorn gebeten und konnte mir (coronakonform) die Urkunde von einer Anrichte nehmen. Danach durfte ich mich für das offizielle Foto zwischen den Bundespräsidenten und einen Vertreter der Körberstiftung stellen. Der Saal war ja vollbesetzt (Pressevertreter waren reichlich dabei, außerdem aus jedem Bundesland mehrere Vertreter der landesbesten Schulen), ich hatte das Gefühl, der Applaus dauert ewig.
Danach war aber alles recht schnell vorbei. Ein Empfang wie in den Vorjahren war coronabedingt nicht zulässig.
Wie sieht der Preis aus, den du bekommen hast?
Neben dem einmaligen Erlebnis im Schloss Bellevue wurde die erfolgreiche Teilnahme mit einem Geldpreis prämiert. Das Geld wurde aber nicht direkt übergeben, sondern wurde überwiesen.
Gibt es ein Foto vom Empfang?
Bild: Körber Stiftung; David Außenhofer
Willst du noch weiter forschen? Hast du schon eine Vorstellung, worüber?
Ich habe meine Arbeit tatsächlich gerade so am 28.02. 2021 eingereicht. 100%ig fertig war ich da noch nicht. Einige Wochen später habe ich einige Stellen nochmals überarbeitet. Ich wollte meine Arbeit nämlich auch Horst Schäfer vom Friedensfahrtmuseum schicken – und mich bei so einem Experten natürlich nicht blamieren. Um es mal radsportlich auszudrücken: Ich befand mich die ganze Zeit in einem Einzelzeitfahren – während des Rennens hat man wenig Anhaltspunkte, wo man steht und weiß erst im Ziel, ob sich das Training gelohnt hat. Das Sportthema hat mich persönlich sehr angesprochen. Ich kann mir aktuell kein neues Thema vorstellen. Aber vielleicht konnte ich ja den ein oder anderen neugierig machen: Am 01.09.2022 wird das neue Forschungsthema bekanntgegeben (www.geschichtswettbewerb.de).
Hey, wer vielleicht jetzt eher am Radsport interessiert ist, ist zu einem Schnuppertraining in unserem Verein RSV Lutherstadt Wittenberg herzlich eingeladen
(Interview: Claudia Schwiefert-Damm)