Die schwierige Einheit

Die schwierige Einheit

Schüler des Lucas-Cranach-Gymnasiums nahmen am Helmstedter Symposium für Zeitgeschichte teil

"Zeitgeschichte - ist Geschichte die noch qualmt" hatte die Historikerin Barbara Tuchman einmal angemerkt. Dies war auf den 21. Helmstedter Universitätstagen am vergangenen Wochenende allerorts zu spüren und zu hören gewesen. Der wissenschaftliche Leiter, Prof. Dr. Martin Sabrow (Potsdam/Berlin), hatte erneut eine exzellente Auswahl an Referenten zu diesem Thema vereint und nach Helmstedt geladen (www.universitaetstage.de). Unter der obigen Themenstellung wurden unterschiedlichste Facetten des Vereinigungsprozesses aufgegriffen und erörtert. Die Palette reichte von "Vereinigung oder Anschluss?", "Wendekinder - eine Generation Deutsche Einheit?" über die Debatte zum Unrechtsstaat DDR bis hin zu einer Diskussionsrunde "Vereint - aber nicht vereinigt?" an der Bürgerrechtler, Zeithistoriker und der letzte DDR-Ministerpräsident Dr. Lothar de Maizière teilnahmen.

Zeitgleich zu dieser fachwissenschaftlichen Tagung der Historiker findet seit einem Jahrzehnt ein Schülerseminar statt, dass sich in gelebter Art und Weise Fragen des Vereinigungsprozesses stellt. Das Besondere daran ist, dass an mehreren Tagen hier Schülerinnen und Schüler aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen miteinander ins Gespräch kommen und gemeinsam zeithistorische Aspekte untersuchen und mit Historikern bzw. Zeitzeugen erörtern. Dieses, von der Stadt Helmstedt und dem Verein Grenzenlos e.V., initiierte Projekt hat über die Ländergrenzen hinaus bereits Würdigung erfahren. Im vergangenen Jahr gestalteten die Teilnehmer des Schülerseminars den kulturellen Hauptbeitrag im Rahmen des Staatsaktes der beiden Bundesländer Niedersachsen und Sachsen-Anhalt am 9. November im Juleum, der ehemaligen Universität Helmstedts.

Seit nun bereits acht Jahren bestehen seitens des Lucas-Cranach-Gymnasiums die Kontakte nach Helmstedt. Die Helmstedter Universitätstage sind zu einem festen Bestandteil als Angebot für Schülerinnen und Schüler zur Vertiefung zeithistorischer Fragestellungen geworden.

Den Auftakt gab es in diesem Jahr am Donnerstagabend mit einer Filmvorführung zum Fall des DDR-Fußballers Lutz Eigendorf, der unter mysteriösen Umständen nach seiner Flucht in die BRD ums Leben kam. Unmittelbar im Anschluss gab es eine bewegte Diskussion mit dem Regisseur, ehemaligen Mitspielern, dem Trainer und den anwesenden Schülern und Zuschauern.

Der Freitag stand hingegen ganz im Zeichen der Wirkungen der innerdeutschen Grenze auf die Bewohner der beiden deutschen Staaten. An den historischen Orten der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn sowie dem Grenzdenkmal Hötensleben konnten die Stätten und Spuren der deutsch-deutschen Teilung augenscheinlich wahrgenommen werden. Ein Rundgang im Zonengrenzmuseum vertiefte die Aspekte der Trennung und führte die Folgen für die Bewohner des grenznahen Raumes vor Augen.

Ausgestattet mit diesen Eindrücken gab es im Anschluss eine intensiv geführte Gesprächsrunde mit Prof. Dr. Lothar Probst (Bremen) zum Themenbereich Generation "Wendekinder". Zwar gehörten die Schülerinnen und Schüler nicht in diese Alterskohorte (1975-1985), die eine doppelte Sozialisation erfahren hatten. Auf ihre Eltern hingegen dürfte diese Kennzeichnung ausnahmslos zutreffen. So ergaben sich aus der Gesprächsrunde viele Impulse und Fragen, die erst nach der Rückkehr im familiären Kreis durchaus zum Thema werden könnten. Darauf konnte nach ersten Aussagen der Schülerinnen und Schüler geschlossen werden.

Die Gegebenheiten der ehemaligen Grenzstadt Helmstedt, an der Nahtstelle zwischen Ost und West, wurden in einem Stadtrundgang gemeinsam erkundet.

Der Samstag bestand dann in einem "Schnupperkurs" universitärer Bildung. Die Schülerinnen und Schüler besuchten gemeinsam mehrere Vorträge und erlebten sehr lebhaft geführte Diskussionen mit konträren Standpunkten im Juleum. Dabei standen die materiellen Kosten und sozialen Folgen des Vereinigungsprozesses (PD Dr. Winfried Süß), die Illusion eines zweiten Wirtschaftswunders nach 1990 (Prof. Dr. Werner Abelshauser) im Zentrum, ehe abschließend "ihr" Professor zur Generation "Wendekinder" referierte.

Beladen mit vielen neuen Eindrücken und Kontakten wurde dann die Heimreise angetreten. Die gewonnenen Erkenntnisse und Fragen zur Zeitgeschichte werden nicht nur im Unterricht Gegenstand sein. Der Prozess der deutschen Einheit ist noch lange nicht abgeschlossen und wird auch noch künftige Generationen begleiten. Um eine Zwischenbilanz nach 25 Jahren zu ziehen, boten die Helmstedter Universtätstage erneut allen Anwesenden eine fundierte Plattform.

Kurt Fuchs (Lucas-Cranach-Gymnasium)
Breitscheidstr. 37
06886 Lutherstadt Wittenberg
k.fuchs@lucas-cranach-gymnasium.de
03491/407200

  • Bild (Fuchs privat): Teilnehmer des LCG vor dem Juleum in Helmstedt

Universitätstage in Helmstedt

Vom 24.09. bis 26.09.2015 beteiligten wir, drei Schüler der 10. Klasse und sechs Schülerinnen der 11. Klasse, uns am Schülerseminar in Helmstedt im Rahmen der Universitätstage. Untergebracht und versorgt wurden wir während unseres Aufenthalts im Kloster Ludgerus.

Das anstrengende Programm begann nach der Ankunft mit der Möglichkeit, sich mit den Schülergruppen der zwei Helmstedter Gymnasien (Niedersachsen) und des Haldensleber Gymnasiums (Sachsen- Anhalt) auszutauschen. Am Abend besuchten wir dann gemeinsam den Dokumentarfilm „Tod dem Verräter“ über den Fußballer Lutz Eigendorf, der nach seiner Flucht in den Westen auf mysteriöse Weise ums Leben kam. Es folgte eine hitzige Diskussionsrunde zwischen dem ehemaligen Trainer, Torwart und Mannschaftsarzt von Eigendorf, sowie dem Autor des Filmes, Heribert Schwan und dem Publikum.

Am nächsten Morgen besuchten wir das Grenzmuseum in Helmstedt mit anschließender „Grenzenlos- Tour“ an der ehemaligen innerdeutschen Grenze entlang und besichtigten den „Checkpoint Marienborn“. Vor Ort konnten wir sehen, wie von 1975 bis 1989 die aufwendige Ein- und Ausreise der BRD- Bürger in die DDR verlief. Am Nachmittag trafen sich alle vier Schülergruppen zur Gesprächsrunde mit Prof. Probst. Dabei wurde über die Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands diskutiert, aber auch über die aktuellen politischen Probleme, z.B. die Flüchtlingspolitik.

Um die Stadt kennenzulernen, wurden wir am frühen Abend durch die Helmstedter Altstadt und auf den Universitätsturm geführt. Den Tag ließen alle Schüler zusammen im „Pferdestall“, ein von Schülern ins Leben gerufenes Jugendcafé, ausklingen. Bevor wir am Samstag abreisten, nahmen wir noch an zwei Vorlesungen der Helmstedter Universitätstage zum Thema „Schwierige Einheit“ teil.

Die drei Tage bilanzierend können wir sagen, dass der Film „Tod dem Verräter“ einen besonders nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat, weil eine endgültige Klärung des Falles offen bleibt und er wohl nie gelöst wird. Die Vorlesungen am Abreisetag waren für uns Schüler kaum zu verstehen, da wir nicht das entsprechende Hintergrundwissen, insbesondere im Bereich der Wirtschaftsgeschichte, besitzen. Dagegen war die Diskussionsrunde mit Prof. Probst sehr aufschlussreich und wurde von allen Schülern sehr gut aufgenommen und verfolgt.

Luisa Rudloff
Franziska Scheffel
Heidi Kammacher
Tia Kölling
Anne-Christin Sarnow